Giur I: Konversion zum Judentum - Liberal, Konservativ, Orthodox, ... ?

Kurz nach der Jahrtausendwende lief auf dem Fernsehsender VOX eine amerikanische Serie mit dem Titel "Ein himmlische Familie".


In dieser Serie geht es um die Pastorenfamilie Camden, genauer gesagt um Eric, Annie, Matt, Mary, Lucy, Simon und Ruthy und später auch um die Zwillinge Sam und David, aus der fiktiven kalifornischen Kleinstadt Glen Oak. Während seines Medizinstudiums lernt der älteste Sohn Matt die Jüdin Sarah Glass - Tochter eines Rabbis - kennen, die er dann auch in der sechsten Staffel heiratet. Sarah respektiert Matts christlichen Glauben, erwartet dies aber auch von Matt mit ihrem Glauben. Vor der Hochzeit entschließt sich Matt dann dazu, zum Judentum zu konvertieren. Als er dies seinen Eltern bei einem gemeinsamen Essen mitteilt, entbrennt ein Streit zwischen Matt und seinem christlich-konservativem Vater Eric. Schon kurz nachdem die Figur Sarah Glass in der Serie auftaucht, wird das Judentum hin und wieder kurz in der Serie aufgegriffen.

Damals haben mich Religionen aller Art schon sehr interessiert, aber nach der ersten Folge, in dem das Judentum thematisiert wurde, war ich so fasziniert von der jüdischen Symbolik, Kultur und Geschichte, den jüdischen Traditionen und dem Leben voller Rituale (zumindest bei orthodoxen Juden), dass ich damals schon zu meiner Mutter sagte, dass ich in meinem Leben zum Judentum konvertieren werde. Fortan befasste ich mich auch immer wieder phasenweise mit dem Judentum. Als ich dann eine Algerierin muslimischen Glaubens notgedrungen heiraten musste, war die Beschäftigung mit anderen Religion, insbesondere mit dem Judentum, erstmal sehr problematisch, denn neben ihrer Religion ließ sie nichts anderes gelten und vor allem nichts aus dem Bereich Judentum und Israel. Die Zeit verging und zum Glück scheiterte meine Ehe. Als ich dann - glücklich - geschieden wurde, befasste ich mich wieder mit Religionen und allen zugehörigen Themenbereichen.

Im Spätsommer 2017 wurde das Interesse an der Konversion zum Judentum dann so stark, dass ich mich erneut verstärkt mit dem Judentum befasste, woraufhin ich mein Glück zuerst in Hamburg versuchte. Nachdem ich aber etwa zwei Jahre lange keine Antwort auf meine Emails und Nachrichten auf dem Anrufbeantworter bekam, gab ich es auf und suchte weiter. Im Dezember 2019 schrieb ich dann der nächstgelegenen jüdischen Gemeinde in Elmshorn, doch musste ich mich kurz danach einem komplizierten kieferchirurgischen Eingriff unterziehen und als ich gerade erst wieder auf die Beine kam, kam der erste Lockdown. Im Dezember 2020 schrieb ich dann erneut der nächstgelegenen jüdischen Gemeinde in Elmshorn und erhielt lange keine Antwort. Ende Januar 2021 kam dann doch eine Antwort zurück, nachdem ich nochmal nachfragte. Man bat mich darum, sich später melden zu dürfen, da man in der Gemeinde einen größeren Wasserschaden hätte, den man erst abwickeln möchte. Dafür hatte ich natürlich vollstes Verständnis. Nur wenige Wochen später wurde dann aus diesem Vorhaben nichts mehr. Warum werde ich in einem eigenen Beitrag erzählen.

Trotz allem bin ich mir bis heute noch nicht sicher, in welche Richtung es gehen soll. 

Unterschieden wird das Judentum heute in vier Hauptrichtungen, nämlich in Liberal, Konservativ, Rekonstruktionismus, Orthodox, und fast alle Strömungen unterteilen sich wiederum in einige Untergruppen. Auf die vier Hauptrichtungen möchte ich an dieser Stelle vorab eingehen.

Liberales Judentum

Dem liberale Judentum, dass z.T. auch progressives Judentum genannt wird und in den USA als Reform Judaism bekannt ist, hängen aktuell etwa 1.75 Millionen der insgesamt 14 Millionen Juden weltweit an. Das liberale Judentum entstand in Deutschland, u.a. in Hamburg. Auf der Suche nach bürgerlicher Gleichstellung und Assimilation an das christliche Umfeld - jedoch ohne Aufgabe der jüdischen Identität - entstand im 18. und 19. Jahrhundert eine neue Form der jüdischen Religiösität, die vor allem auf Gedanken von Moses Mendelsohn und Abraham Geiger basiert. Das liberale Judentum prägte die jüdische Landschaft in Deutschland bis zu ihrer Vernichtung 1933.

Liberale Juden sehen ihre Offenbarungen nicht als von Gott übermittelt an (und auch nicht als einmaligen Akt), sondern als von Gott inspirierten Menschen geschrieben. Die Texte der Torah müssen daher viel mehr einer historischen-kritischen Forschung standhalten. Es wird nicht auf einen Messias gewartet, sondern eher auf ein messianisches Zeitalter. Die jüdischen Gesetze werden zwar gelernt, sie werden aber in ethische und rituelle Gebote aufgeteilt und deren Einhaltung fällt alleine in die Eigenverantwortung von deren Anhänger. Anders als bei den Orthodoxen halten sie das Autofahren am Schabbat, z.B. um in die Synagoge zu kommen, in Bezug auf das Brechen des Schabbats für unbedenklich. 

Die sichtbarsten Unterschiede zur Orthodoxie findet man jedoch in der Liturgie der liberalen Gottesdienste. Es werden, anders als in orthodoxen Gemeinden, Musikinstrumente und die Landessprache verwendet (anstatt ausschließlich Hebräisch), Gebete, deren Inhalte heute nicht mehr vermittelbar sind, werden unterlassen, die Dauer des Gottesdienstes wurde gekürzt. Zudem sind Frauen innerhalb der liberalen Gemeinden den Männern in religiösen Dingen vollkommen gleichgestellt, heißt: Frauen können alle Ämter bekleidet und auch zu Rabbinerinnen ordiniert werden. 


Konservatives Judentum

Das konservative Judentum wird auch als Masorti-Judentum bezeichnet und entstand ebenfalls in Deutschland. Es entstand im 19. Jahrhundert aus der positiv-historischen Schule Zacharias Frankels. Masorti-Gemeinden und deren Anhänger sehen sich selbst zwischen dem liberalen und dem orthodoxen Judentum angesiedelt, es wurde also versucht ein Mittelweg zu finden. Wie die Reformjuden auch, teilt das konservative Judentum die Ansicht, dass die Offenbarung der schriftlichen und mündlichen Torah nicht von Gott am Berg Sinai wörtlich gegeben, sondern über einen längeren Zeitpunkt von Menschen gemacht wurde. Auch hier bedient man sich der im Christentum entstandenen historisch-kritischen theologischen Forschung. Das Ziel ist die Bewahrung eines Teils der Tradition, soweit sie mit den modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Lebensumständen zu vereinbaren ist. Die Regeln der Halacha sind also nur bedingt anpassbar. Weiterhin halten sich konservative gemeinden größtenteils an die traditionelle Form der Liturgie. Auch hier sind Männer und Frauen in allen religiösen Belangen gleichgestellt, was bedeutet, dass es auch konservative Rabbinerinnen usw. gibt. 


Orthodoxes Judentum

Das orthodoxe Judentum wird meist in neu-orthodoxes und ultraorthodoxes Judentum unterteilt. Die Bezeichnung als Orthodox entstand im 19. Jahrhundert zur Abgrenzung zum liberalen und konservativen Judentum. Es wird sich an der schriftlichen und mündlichen Lehre aus Torah und Talmud orientiert. Die gesamte Torah gilt als maßgebendes Wort Gottes, die Autoritä der Torah ist prägend für das ganze Leben orthodoxer Anhänger. Dieses wiederum wird als ganzheitlicher Gottesdienst angesehen.  

Orthodoxe Juden richten ihr Leben nach der Halacha, den jüdischen Gesetzen, aus. Neuerungen werden von den Rabbinern interpretiert. Besondere Bedeutung hat das Konsequente begehen des Schabbats, die Einhaltung der Speisegesetze und die Regeln der ehelichen Beziehung. Orthodoxe Männer tragen stets eine Kippa, die jüdische Kopfbedeckung für Männer, auch unter einem Hut o.ä. Orthodoxe Frauen kleiden sich sittsam und tragen meistens lange Röcke und nach der Ehe bedecken sie in der Regel auch ihre Haare mit einem Kopftuch, einer Perücke, einem Turban, einem Haarnetz o.ä.)

Die Liturgie wird, anders als in konservativen und liberalen Gemeinden, geschlechtlich getrennt ausgeführt. Die Liturgiesprache ist Hebräisch, es werden im Gottesdienst keinerlei Instrumente verwendet und mit wenigen Ausnahmen ist es Frauen nicht möglich Rabbinerinnen, Kantorinnen o.ä. zu werden. 


Rekonstruktionismus

Der Rekonstruktionismus ist eine betont progressive Strömung des Judentums. die sich in einer ständigen Weiterentwicklung sieht und der weniger als 1% aller Juden weltweit angehören. Es ging aus dem konservativen Judentum hervor; vorher war es eine Strömung innerhalb der konservativen Denomination. Das jüdische Religionsgesetz, die Halacha, und das Judentum insgesamt befinden sich für Rekonstruktionisten in einer ständigen Fort- und Weiterentwicklung. Sie war die erste jüdische Strömung, die gendergerechte Liturgie entwarf und Gott nicht ausschließlich mit männlichen Attributen bezeichnete. 

Weitere wichtige Strömungen wären noch das humanistische Judentum und die Renewal-Bewegung, auf die ich aber nicht eingehen möchte, da es sich hierbei für mich eher weniger um Religionsgemeinschaften handelt.


Am liberalen und konservativen Judentum stört mich das, was ich auch gerade bei den evangelischen Kirchen und den meisten Freikirchen schon seit Jahren kritisiere: Die ganze Heruminterpretiererei um eigentlich komplett gegen die Regeln und Lehren seiner Religion leben zu können! Und ganz nebenbei tue ich mich auch schwer damit, dass Frauen zur Ordination zugelassen sind, da es keine kanonischen Quellen gibt, die das rechtfertigen. Für mich sind zwar alle Menschen gleichwertig, aber nicht gleichrangig und ich bekenne mich ausdrücklich zum traditionellen Familienbild und traditioneller Rollenverteilung. Hier wird also letztendlich nur dem Zeitgeist gehuldigt! Auf der anderen Seite halte ich diese Formen des Judentums gerade für Menschen mit schwierigen Lebenskonstellationen (z.B. Menschen, die nur einen jüdischen Vater haben und nach daher eigentlich keine Juden sind oder auch solche, die aufgrund medizinischer Gründe keine rituelle Beschneidung durchführen lassen können usw.) als geeignet. Wie streng oder traditionell man letztendlich lebt, bleibt hier zuletzt jedem selbst überlassen.

Am orthodoxen Judentum stört mich die extreme Umsetzung der jüdischen Gebote, weshalb man in orthodoxen Haushalten z.B. auch Kühlschränke, Töpfe, z.T. sogar Zahnprothesen in doppelter Ausführung für die Zubereitung bzw. den Verzehr milchiger und fleischiger Speisen findet. Zudem bezweifle ich, dass der Schabbat schon dann gebrochen wird, wenn man einen Lichtschalter betätigt oder Auto fährt, aber nicht wenn man einen Stuhl sinnlos 20mal von der links nach rechts und wieder zurück stellt. Positiv finde ich die Ansicht, dass die Überlieferungen das tatsächliche Wort Gottes darstellen und die Regeln der Religion nicht verhandelbar oder anpassbar sind. Dieses Punkt sehe ich genau so; wer sich einer Religion zugehörig fühlt, der muss sich auch zumindest Mühe geben nach ihren Regeln zu leben und am Fehlverhalten arbeiten. Kurz: Für mich muss sich der Gläubige seiner Religion anpassen, nicht die Religion dem Gläubigen! 

So viel dazu...!

Jedenfalls stand ich im Kontakt mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein, wo meine Zugehörigkeit zur AfD-Fraktion - erwartungsgemäß - problematisch war. Nur die Begründung des neuen Landesrabbiners gefiel mir nicht, weshalb ich mich dazu entschlossen habe, gegen den LVJGSH zu klagen. Dazu demnächst mehr in einem eigenen Beitrag. Momentan muss ich mir also erstmal klar darüber werden, in welche Richtung es denn letztendlich für mich gehen soll. Nachdem ich das liberale und das orthodoxe Judentum schon etwas kennenlernen konnte, tendiere ich aktuell doch eher zum konservativen Judentum. 

So viel sei aber verraten...
Wenn ich nicht in Deutschland konvertieren kann, dann 100% in Bulgarien, Dänemark, Rumänien oder in den USA. Dort ist das ganze auch einfacher und schneller möglich. 

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