Juden in Schleswig-Holstein und Hamburg I: Anfang, Dithmarscher Juden & Die Stillschweigs aus Heide

Seit einigen Jahren interessiere ich mich sehr für das Thema Judentum, insbesondere für das historische jüdische Leben in Schleswig-Holstein und Hamburg. Kurz vor Weihnachten 2019 fing dieses Interesse an, rückte dann aber Aufgrund der Corona-Pandemie wieder in den Hintergrund, da alle öffentlichen Stellen, wie jüdische Museen usw. schließen mussten. Ein Jahr später, wieder kurz vor Weihnachten, aber diesmal im Jahr 2020, kam das Interesse dann wieder zurück. Zuerst informierte ich mich im Internet über die Juden aus meinem Landkreis, dem Kreis Dithmarschen in Schleswig-Holstein. Momentan erscheint es mir so, als wäre das jüdische Leben an der Westküste immer sehr rar gewesen, doch fällt in Verbindung mit dem Judentum im Kreis Dithmarschen immer wieder der Name der jüdischen Kaufmannsfamilie Stillschweig. Deshalb habe ich mich auf Spurensuche der Familie Stillschweig begeben und konnte bis jetzt folgende Infos zusammentragen, nachdem ich mir einige Bücher (siehe Foto) zu diesem Thema gekauft habe. Das Buch "Juden in Süderdithmarschen" ist leider vergriffen. 


 Samuel Stillschweig, 1862 in Ostrowo (Schlesien,   heute Polen) geboren, ließ sich 1888 in Heide nieder   und heiratete kurz darauf Auguste Marcus; beide   eröffneten in der Friedrichstraße 4 (heute Scheller   Boyens Buchhandlung in der Heider Gehstraße), ein   Textilgeschäft, welches bis 1935 aufgrund des guten   Preisleistungsverhältnissen erfolgreich lief.

 Auguste Stillschweig starb bereits 1924 mit 55   Jahren an einer Herzkrankheit und hinterließ neben   ihren Mann Samuel auch noch die vier   gemeinsamen Kinder Frieda, Martha, Gertrud und   Dagobert. Sie wurde auf dem neueren jüdischen   Friedhof in Friedrichstadt beigesetzt.

 Am 14.07.1937 starb auch Samuel Stillschweig im   Alter von 75 Jahren und wurde neben seiner Frau in   Friedrichstadt beerdigt. Im selben Jahr wurde dann auch das Wohn- und Geschäftshaus der Stillschweigs an den Uhrmacher Jessen für 22000 Reichsmark verkauft; ob der Kaufpreis tatsächlich jemals der Familie ausgezahlt wurde, ist nicht mehr festzustellen, darf aber bezweifelt werden.

Der erste Sohn der Stillschweigs, Herbert, wurde im März 1890 geboren, starb aber im Alter von drei Monaten.

Die älteste Tochter Frieda wurde 1891 in Heide geboren und besuchte zuerst die höhere Töchterschule bevor sie 1906 von ihren Eltern auf ein Berliner Gymnasium geschickt wurde. Nach dem Abitur studierte sie Medizin und ließ sich in Berlin als Nervenärztin in eigener Praxis nieder, bis sie ab 1938 als Jüdin nur noch jüdische Patienten als Krankenbehandlerin behandeln durfte. 1924 heiratete sie Dr. Felix Alexander mit dem sie einen Sohn namens Wolfgang bekam. Zusammen mit ihrem Sohn Wolfgang wurde sie am 12.03.1943 nach Auschwitz deportiert und am nächsten Tag, am 13.03.1943, vergast.

Martha wurde 1906 in Heide geboren und folgte dem Vorbild ihrer Schwester Frieda. Ab 1923 besuchte sie ebenfalls ein Berliner Gymnasium und studierte nach dem Abitur ebenfalls Medizin. Später arbeitete sie als Ärztin in der Praxis ihrer Schwester. Sie wurde am am 19.05.1943 von Berlin nach Theresienstadt deportiert. Die jüngste Tochter Getrude kam 1907 ebenfalls in Heide zur Welt. Nach der Schule blieb sie in Heide, übernahm nach dem Tode ihrer Mutter ihren Haushalt und half ihrem Vater in seinem Textilgeschäft, nach dessen Tode sie zuerst noch in Heide blieb, später aber nach Hamburg zog. Sie wurde am 24.03.1943 von Hamburg nach Theresienstadt deportiert. Am 12.10.1944 wurden Martha und Getrude dann nochmal mit einem der letzten Transporte von Theresienstadt nach Auschwitz deportiert, wo beide direkt nach der Ankunft am 14.10.1944 vergast wurden. Ob sie sich vorher noch einmal sahen, ist nicht bekannt.

Stolpersteine zur Erinnerung
an die Schicksale von 
Frieda, Martha, Gertrude
und Dagobert Stillschweig in Heide
 Dagobert, der David genannt wurde, wurde 1896 in Lübeck geboren.   1909 verließ er Heide um in Berlin eine Lehre als Kaufmann zu   beginnen. Später erlernte er dann auch noch das Kürschnerhandwerk,   also die Verarbeitung von Tierfellen zu Pelzkleidung und anderen   Pelzprodukten. Von 1923 bis 1931 war er wieder in Heide und half im   Geschäft seines Vaters mit. 1938 verließ er Deutschland endgültig und   ließ sich in Paris nieder. Am 09.02.1943 wurde er dann von Drancy   (Frankreich) nach Auschwitz deportiert und dort am 11.02.1943 vergast.

 Heute erinnern vier Stolpersteine in Heide an die Schicksale von 
 Frieda, Martha, Gertrude und Dagobert Stillschweig.

 Mehr Informationen zum "Dithmarscher Judentum" habe ich bis jetzt   noch nicht herausfinden können, aber vielleicht werden mir die Bücher   weiterhelfen.

In den nächsten Wochen werde ich mich intensiver mit dem Judentum befassen, in erster Linie mit dem historischem und zeitgenössischem jüdischen Leben in Schleswig-Holstein und Deutschland, aber auch mit dem Judentum in Deutschland generell.

Ein Problem, welches mir im Kontakt mit Juden und jüdischen Organisationen durchaus bewusst ist, ist mein AfD-Bezug. Damit konnte ich auch die ersten Erfahrungen machen, worüber ich in den nächsten Tagen auch ausführlich berichten werde. 

 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Online Shotokan Karate-Training als Corona-Alternative

Giur I: Konversion zum Judentum - Liberal, Konservativ, Orthodox, ... ?

Online Karate Training: Kurzer Erfahrungsbericht zur Vorbereitung und Prüfung zum Weißgurt